T H A I L A N D   
 

 

 Architektur

Thailands Sakralarchitektur umspannt einen Zeitraum von über elf Jahr-hunderten. Der Erhaltungszustand hängt vom Baumaterial ab. So vermitteln die hinduistisch-buddhistischen Steintempel der Khmer, falls restauriert, einen recht kompletten Eindruck. Von den Wihan und Bot der buddhistischen Tempel von Sukhothai und Ayuttaya zeugen in der Regel nur Fundamente und Steinsäulen, dafür stehen noch einige Chedi und Mondop. Viele eindrucksvolle Tempel belegen die Baukunst der späten Lanna- und Rattanakosin-Zeit.

Die Geschichte der reichen Kunst und Kultur Thailands geht bis in die ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung zurück. Durch die Indisierung Südostasiens kamen kulturprägende Elemente wie der Buddhismus in die Ebene des Chao-Phraya-Flusses und auf die Malaiische Halbinsel, Orte der ersten Hochkulturen, die die Kunst und Architektur Thailands bis heute prägen.
Die Kapitel des vorliegenden Bandes sind eingeteilt in die jeweils vorherrschende Kultur auf thailändischem Boden, angefangen mit dem Dvaravati-Reich ab dem 6. Jahrhundert, über die Seefahrermacht der Srivijaya und das Imperium der Khmer, bis zur Gründung der ersten Thai-Königreiche in Sukhothai und Lan Na. Den Höhepunkt der Kunst und Architektur erfährt Thailand schliesslich in der ehemaligen Hauptstadt Ayutthaya und der heutigen Metropole Bangkok, wo alle künstlerischen Traditionen, aber auch fremde Einflüsse in den Tempeln, Palästen, Skulpturen und Malereien vereint werden.

 
 Khmer 9. bis 13. Jahrhundert

Die Khmer bauten in Nordthailand Tempelkomplexe, Prasat, aus Stein. Darin führen meist von steinernen Naga, mythischen Schlangen, gesäumte Treppen und Brücken zum Hauptheiligtum. Dieses zieren Steinreliefs, die hinduistische Mythen illustrieren. Überragt wird es von einem Turm, dem Prang. Die bedeutensten Heiligtümer sind Prasat Hin Khao Phnom Rung und Prasat Hin Phimai. 

Der Beginn des Khmer-Reiches von Angkor von den Khmer selbst "Kambuja" genannt, wird üblicherweise mit dem Jahr 802 angegeben, jenem Jahr, in dem sich Jayavarman II. der Überlieferung zur Folge zum Deva-raja (etwa: „König der Könige“) erheben liess. Er einte die Khmer unter seiner Herrschaft, machte das Reich unabhängig vom Seereich Javas und gründete mit Hariharalaya die erste Hauptstadt in der Region von Angkor. In der Regierungszeit des bedeutenden Yasovarman I. (889–910) wurde die Hauptstadt jedoch nach Yasodharapura verlegt.

1177 wurde Angkor erstmals von den benachbarten Cham aus dem Reich der Champa eingenommen, doch sehr viel bedrohlicher waren die Thai-Völker, die sich im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts zu den Staatsgebilden von Sukhothai und Ayutthaya zusammenschlossen und die Herrschaft der Khmer abzuschütteln begannen. Diese Reiche waren zunächst Vasallenstaaten, doch wurde Angkor nach und nach zurückgedrängt, bis das Reich 1431 schliesslich durch Ayutthaya eingenommen wurde. Angkor wurde als Hauptstadt aufgegeben, nachdem die Siamesen das Gebiet eingenommen hatten. Einzelne Tempel, wie der Angkor Wat, wurden zwar weiterhin besucht, aber die Mehrzahl der Bauwerke wurde von der tropischen Vegetation überwachsen und verfiel.

 
 Sukhothai Mitte 13. bis 15. Jahrhundert

In den Städten Sukhotai und Si Sattchanalai vollzog die Thai Baukunst ihre sprunghafteste Entwicklung. Unter König Si Intharathit und seinen Nachfolgern entstanden inmitten verfallener Khmer-Heiligtümer Bot und Wihan als Schreine für Buddha-Bildnisse sowie glockenförmige Chedi nach dem Vorbild Ceylonesischer Reliquientürme. Teil mancher neuer Tempelkomplexe, so des Wat Mahathat war der zeittypische Lotosknospen-Chedi.

Der bedeutendste Herrscher von Sukhothai war König Ramkhamhaeng (1275–1298). Zu Beginn seiner Herrschaft waren nur einige Städte in der Umgebung Sukhothais unter seiner Kontrolle, bei seinem Tod entsprach der Einflussbereich Sukhothais etwa dem des heutigen Thailand. Aussenpolitisch normalisierte Ramkhamhaeng die Beziehungen mit China, indem er eine Tributgesandtschaft entsandte. Die Kooperation mit den anderen Thai-Königen Mangrai (Königreich Lan Na) und Ngam Mueang (Phayao-Reich) gegen die von Norden her drohenden Mongolen ist bemerkenswert, ebenso der Respekt, mit dem die Herrscher einander begegneten. Innen- wie aussenpolitisch wurde die Vorherrschaft der Khmer für immer beseitigt.

Es gibt eine Steininschrift, die auf das Jahr 1292 datiert ist und die Ramkhamhaeng zugeschrieben wird. Sie befindet sich heute im Nationalmuseum Bangkok, ihre Authentizität ist allerdings umstritten. Darin wird berichtet, wie Ramkhamhaeng das Land regiert haben soll. Demzufolge beachtete er die Treue des Sohnes vor dem Vater, war milde zu gefangenen Feinden, respektierte das Eigentum und das Erbe seiner Untertanen und schuf keine Handelshemmnisse. Die Inschrift behandelt auch ein Bekenntnis zum Buddhismus sowie die Verehrung des Geistes Phra Khapung. Die Inschrift schreibt Ramkhamhaeng auch die Entwicklung der thailändische Schrift im Jahr 1283 zu.

 
 Lan Na Mitte 13. bis 19. Jahrhundert

Die Sakralbauten des Reiches Lan Na im Norden waren von Dvaravati-Stil, später von Indischen, der Ceylonesischen und der Sukhothai-Architektur beeinflusst. Von Lan Nas Blütezeit im 14. und 15. Jahrhundert zeugen wenige Relikte. Wat aus dem 18. und 19. Jahrhundert, zu sehen auch in Chiang Mai, weisen oft Holzschnitzereien, vergoldete Hang Hong und Wandmalereien auf.

Auf Basis des Fürstentums Ngoen Yang (heute Chiang Saen) gründete Mangrai in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Nordthailand ein Königreich, das Lan Na – "Land der Millionen Reisfelder" – genannt wurde. Ihm gelang die Eroberung des einflussreichen und wirtschaftlich erfolgreichen, von Mon regierten Staats Haripunjaya und er liess sich 1281 in Lamphun krönen. Mangrai gründete Chiang Rai und Chiang Mai, widersetzte sich der Gefahr der Mongolen, die das Reich von Norden bedrohten, und schloss einen Freundschaftsvertrag mit König Suddhasoma von Pegu. Lan Na und andere Königreiche in Nordthailand behielten über mehrere Jahrhunderte hinweg gegenüber dem restlichen Thailand ein grosses Mass an Unabhängigkeit.

 
 Ayutthaya Mitte 14. bis Ende 18. Jahrhundert

Die Baumeister von Ayutthaya veränderten behutsam Vorbilder wie die Khmer-Prang und die Ceylonesischen Chedi. Ihre Tempel zeigen Dekor wie kunstvolle Hang Hong und Ziergiebel über Fenster und Türen. Wenige Bot und Wihan überstanden Ayutthayas Brandschatzung durch die Birmanen 1767 - eine Ausnahme bildet der Wat Na Phra Men.

Das Königreich Ayutthaya wurde durch den charismatischen Fürsten und ersten König Ramathibodi I. im Jahre 1351 gegründet und bestimmte in der Folge für etwa 400 Jahre mit 33 Herrschern und sieben Dynastien das Geschehen im heutigen Thailand. Den frühen Königen, besonders Borommaracha II., gelang es während einer Periode von etwa 100 Jahren, eine Hegemonie über alle Fürstentümer im heutigen Thailand aufzubauen und diese durch Unterwerfung oder Aufbau von Verwandtschaftsverhältnissen an sich zu binden. Darunter war auch Sukhothai, welches erst nach 1438 absorbiert werden konnte. Die Hauptstadt des östlich gelegenen Angkor-Reiches wurde zweimal erobert; zahlreiche Kriegsgefangene, darunter hohe Beamte, Brahmanen und Künstler des Reiches wurden als Kriegsgefangene in Ayutthaya angesiedelt. Das Resultat war, dass das Khmer-Reich niederging und dass viele Traditionen von Angkor im Königreich Ayutthaya weitergeführt wurden. Dazu gehörte etwa das gottgleiche Königtum im Unterschied zum väterlichen Königtum Sukhothais.

Gleichzeitig zum goldenen Zeitalter in Ayutthaya etablierte sich im benachbarten Birma die Konbaung-Dynastie, die nach ihrer Konsolidierung eine aggressive Expansionspolitik betrieb. 1759 verlor Ayutthaya seine Besitzungen im heutigen Südbirma, kurz darauf erfolgte eine erste Belagerung seiner Hauptstadt. Nach dem Tod von König Alaungpaya zogen sich die Birmanen zeitweilig zurück, bis 1766 eine einjährige Belagerung der Hauptstadt unter König Hsinbyushin begann, die 1767 zum Fall der Stadt und zu ihrer vollständigen Zerstörung führte. Die königliche Familie kam im Krieg entweder um oder wurde als Kriegsgefangene nach Birma geführt. Zahlreiche Schriften und Kunstwerke gingen verloren. Ayutthaya wurde später nicht mehr Hauptstadt Thailands.

 
 Chakri-Dynastie Ende 18. Jahrhundert bis Heute

Nach Ayutthayas Zerstörung versuchten die Thai, den Verlust wettzumachen. Die ersten Bot und Wihan der neuen Hauptstadt Bangkok griffen den Ayutthaya-Stil auf; Musterbeispiele dieser Phase des Rattanakosin- oder Bangkok-Stils stehen im Wat Phra Kaeo. Spätere Tempelgebäude fielen grossartiger und raffinierter aus. Tempel des 19. Jahrhunderts wie der Wat Benchamabophit und der Wat Rachabophit lassen auch westliche Elemente erkennen.

Chakri bestieg den Thron als 45-Jähriger im Jahre 1782. Er ging als König Phra Phutthayotfa oder Rama I. in die Geschichte ein. Es ist wahrscheinlich, dass er und seine Familie die Thronbesteigung bereits zu Lebzeiten seines Vorgängers Taksin geplant hatten. Nach seiner Krönung betrieb er eine systematische blutige Ausrottung der Anhänger Taksins, was der typischen Vorgehensweise der Usurpatoren in der thailändischen Geschichte entspricht.

Die neue Dynastie verlegte die Hauptstadt von Thonburi nach Rattanakosin, dem heutigen Bangkok. Bangkok war bis dahin nur eine kleine Siedlung mit einem Fort gewesen, sie lag jedoch strategisch günstig am östlichen Ufer des Mae Nam Chao Phraya und war unter den ausländischen Händlern als Schlüssel nach Siam bekannt. Mit Material aus Ayutthaya wurden neue Paläste und Tempel errichtet. Für den Smaragd-Buddha wurde der Wat Phra Kaeo gegründet. Der König setzte sich zum Ziel, die alte Pracht von Ayutthaya auf die neue Hauptstadt zu übertragen. In seiner neuen Hauptstadt liess Rama I. sich im Jahre 1785 in einer prunkvollen Zeremonie krönen.

 

 

 
                                                                                                                © Copyright by Karobathai